Pflegekonzept für Demenzkranke
Daraus wird ersichtlich, dass ein besonderer Schwerpunkt in unserer täglichen Pflege und Betreuung auf dem Umgang mit demenziell erkrankten Menschen liegt.
Konzept nach Böhm
Das unsere Pflege zugrunde liegende Menschenbild und die von uns angestrebten Pflegeziele finden wir im "Psychobiografischen Pflegemodell" des Österreichischen Pflegetheoretikers Erwin Böhm wieder. Daher haben wir uns entschlossen, dies Pflegemodell als theoretische Grundlage unserer Arbeit zu verwenden. Obwohl Erwin Böhm sein Pflege-Modell in erster Linie für die Arbeit mit demenziell erkrankten Menschen entwickelt hat, enthält es - aus seinem grundsätzlichen Menschenverständnis heraus - zahlreiche Aspekte, die ebenso als Grundlage für die Betreuung und Pflege von Menschen, die in allen Lebensbereichen gut orientiert sind, dienen können. So trifft beispielsweise seine Idee von der "Ich-Wichtigkeit" - damit bezeichnet Böhm das Bedürfnis des Menschen nach Anerkennung und Selbstbestätigung - auf jeden Menschen zu, unabhängig von seinen geistigen Fähigkeiten. In seiner umfassenden Betrachtungsweise steht Böhms Psychobiografisches Pflegemodell nicht im Widerspruch zu der von Monika Krohwinkel entwickelten Pflegetheorie. Vielmehr ergänzt und erweitert es die theoretischen Grundlagen pflegerischen Handelns.
Ziele:
- Oberstes Ziel unseres pflegerischen Handelns ist es, die Würde der Bewohnerinnen und Bewohner zu achten und zu bewahren.
- Wir nehmen die Bewohnerinnen und Bewohner unseres Hauses als individuelle, und eigenständige, von ihrer jeweiligen Lebensgeschichte vor dem Hintergrund ihres sozialen und (kultur)geschichtlichen Umfeldes geprägte Menschen wahr.
- Wir bemühen uns um weitestgehenden Erhalt oder Wiedergewinnung ihrer Autonomie und Selbständigkeit.
- Wir fördern ihre zur Alltagsbewältigung dienende Fähigkeiten und Fertigkeiten und bemühen uns ggf. um deren Wiedererlangung.
- Wir bemühen uns, den Bewohnerinnen und Bewohnern unseres Hauses ein Umfeld zu bieten, in dem sie sich zuhause fühlen können.
- Maßnahmen zur Fixierung oder Ruhigstellung (z.B. mittels sedierender Medikamente) von Bewohnern mit herausforderndem Verhalten versuchen wir unter allen Umständen zu vermeiden und wo unvermeidlich, auf ein Minimum zu beschränken.
- Vielmehr bemühen wir uns ihre Möglichkeiten zu freier und ungehinderter persönlicher Entfaltung anzuregen und zu fördern.
Umsetzung
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses "St. Marien" werden derzeit in Kursen durch Referenten der "ENPP-Böhm Bildung- und Forschungs- GmbH" geschult.
Darüber hinaus dienen weitere interne wie externe Fortbildungsangebote dazu, den Wissenstand unserer Mitarbeiter aktuell zu halten.
In regelmäßig stattfindenden Teamgesprächen bemühen wir uns, die Betreuung der bei uns lebenden Menschen zu optimieren und die Teamarbeit zustärken.
Die Betreuungsarbeit wird von allen Berufsgruppen des Hauses mit getragen. Außer den für diese Arbeit speziell angestellten und qualifizierten Mitarbeitern sind dies die Mitarbeiter der Pflege und der Hauswirtschaft.
Das Haus St Marien bemüht sich auch um die Gewinnung ehrenamtlicher Mitarbeiter, die entsprechend ihren Neigungen und Fähigkeiten im Bereich Betreuung angeleitet werden.
Biografiearbeit
Da das Verständnis des alten Menschen aus seiner Biografie grundlegende Voraussetzung für alles pflegerische Handeln im Sinne Erwin Böhms ist, bemühen wir uns, in Zusammenarbeit mit den Bewohnerinnen und Bewohnern, ihren Angehörigen und Betreuern, seine Lebensgeschichte kennen zu lernen.
Dabei haben Erzählungen, Erlebnisse und Geschichten aus der Vergangenheit, durchlebte Sozialisationsprozesse und die dabei erworbenen Copings eine besondere Bedeutung. Besonders wichtig sind dabei die ersten 25 bis 30 Lebensjahre, die so genannte Prägungszeit". Biographiearbeit nach Böhm ist also mehr als das einfache Aneinanderreihen von Lebensdaten einer Person in chronologischer Reihenfolge.
Im Rahmen der psychobiografischen Arbeit versuchen wir die Impulse zu entdecken - und im Pflegealltag anzuwenden - die den individuellen Copings der Bewohner in ihrer jeweiligen Lebenssituation entsprechen. Als Hilfsmittel verwenden wir dazu die von Böhm und der "ENPP-Böhm Bildung- und Forschungs- GmbH" entwickelten Formulare zur Erhebung biografischer Daten.
Umfeldgestaltung
Wir bemühen uns um eine Gestaltung des Wohnumfeldes in den offenen Bereichen des Hauses "St. Marien", die der Prägungszeit unserer Bewohner entspricht - also des Zeitraumes der 30er bis 50er Jahre des 20. Jahrhunderts. Damit alleine ist jedoch nicht eine "Alltagsnormalität" zu erreichen, die dem Erleben dementer Menschen entspricht. Vielmehr kann die Wohnumfeldgestaltung nur einen Rahmen liefern innerhalb dessen sich für die Betroffenen ein sinnvoller, weil gewohnter und bekannter Tagesablauf vollzieht.
Aufgrund ihrer zeitlichen und örtlichen Desorientierung sind demente Menschen in der Regel damit überfordert, ihren Tagesablauf selbständig zu strukturieren. Daher bemühen wir uns, den Alltag so zu gestalten, dass er von den dementen Bewohnerinnen und Bewohnern als sinnvoll und erfüllt, eben als normal, erlebt wird. Daher versuchen wir die Bewohner im Laufe des Tages an den üblichen - und von zuhause gewohnten - Verrichtungen des Alltags zu beteiligen, wie dem Eindecken der Tische zu den Mahlzeiten, dem Legen der Wäsche etc.
In einer geräumigen Therapieküche, die sich in ihrer Möblierung an die Prägungszeit der Bewohnerinnen und Bewohner anlehnt, soll einer Gruppe von dementen Bewohnern die Möglichkeit gegeben werden, begleitet von einer Präsenzkraft, noch konsequenter den Tagesablauf nach diesem "Normalitätsprizip" zu erleben. Aber auch in den Aufenthaltsbereichen der Wohnbereiche wird die ständige Anwesenheit einer Präsenzkraft angestrebt.
Abwechslungen im Alltag werden durch besondere Wochenhöhepunkte wie einem Singkreis, Gedächtnistraining, Seniorengymnastik, Bastel- und Zeichenstunden, Gottesdienste etc. geboten. Diese Veranstaltungen - so wichtig sie zur Aktivierung und Förderung von Fähigkeiten und Ressourcen der Bewohner sind - reichen jedoch nicht aus für eine sinnvolle Tagessturkturierung. Wesentlich für die Betreuung dementer, desorientierter Menschen ist die Gestaltung des Alltags nach dem, was auch von diesen Menschen in früheren Jahren als "normal" begriffen wurde.
Die Mahlzeiten werden von den dementen Bewohnern auf den Wohnbereichen im überschaubaren Kreis eingenommen.
Das Frühstück wird in der Zeit von 07:30 bis 10:00 Uhr angeboten. Damit wird erreicht, dass sich die ab 06:30 Uhr beginnende grundpflegerische Versorgung nach den individuellen und unter Umständen täglich wechselnden Wünschen der Bewohnerinnen und Bewohner, was ihre Aufstehzeiten anbelangt, geplant werden kann.
Vormittags findet die Alltagsgestaltung durch Präsenzkräfte auf den Wohnbereichen statt. Zusätzlich können die Bewohner - je nach Wunsch und Fähigkeit - an den diversen soziokulturellen Angeboten des Hauses teilnehmen.